Der ungarische Staat hat sein Interesse an den Strabag-Anteilen an der Raab-Oedenburg-Ebenfurter Eisenbahn AG (ROeEE/GySEV; kurz: Raaberbahn) bekundet. Ungarn hält derzeit 65,64 % der Anteile, Österreich 28,24 % und die Strabag 6,12 %. Nun möchte Ungarn der Strabag die Anteile abkaufen, womit es zumindest die Zweidrittelmehrheit hätte und in der Hauptversammlung auch Beschlüsse gegen den Willen Österreichs fassen könnte. Österreich will das verhindern, und sollte die Strabag tatsächlich verkaufen, hätte Österreich ein Vorkaufsrecht. Für die Republik Österreich ist ein Verkauf ihrer eigenen Anteile auch ausgeschlossen, heißt es aus dem Klimaschutzministerium. Die Raaberbahn spiele im öffentlichen Verkehr im Burgenland eine wichtige Rolle und Ziel sei es, einen guten, verlässlichen und klimafreundlichen öffentlichen Verkehr sicherzustellen.
Seitens des Ministeriums wisse man, dass der ungarische Verkehrsminister Interesse daran hat. Ungarn versucht seit einiger Zeit mehr Einfluss auf den österreichischen Streckenteil zu bekommen. So wurde die Vizedirektorin Hanna Dellemann von ihrem Vorstandsmandat abgezogen, mit der Begründung, sie hätte sich zu sehr um Österreich und zu wenig um die GySEV in Ungarn gekümmert. Österreich hat dagegen beim Gericht in Györ/Raab eine Klage eingebracht und werde die Abberufung nicht hinnehmen.
In der Tat wurde sehr viel in das Netz und die Züge in Österreich investiert, und die Verbindungen wurden mit dem neuen Fahrplanjahr weiter ausgebaut. In Ungarn wird seit Jahren jedoch ebenso in neue Fahrzeuge und Streckenelektrifizierungen investiert, und ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2023 übernahm die GySEV den Personenverkehr auf den Strecken Pápa – Csorna und Zalaegerszeg – Rédics von MÁV-Start, welche diese aufgrund von Fahrzeugmangel sonst nicht mehr bedient und stillgelegt hätte.
Es wird in Fachkreisen diskutiert, was die Gründe für die beabsichtigte Übernahme sein könnten, und da die GySEV in Ungarn als Vorzeigebetrieb gilt, dürften folgende am wahrscheinlichsten sein:
- Ausweitung des Personenverkehrs auf ganz Transdanubien, da man die MÁV zwar nicht abwickeln kann, aber so deren Verluste schadlos minimieren könnte
- Übernahme von GYSEV CARGO, um wieder ein staatliches Güterverkehrsunternehmen zu haben, welches man mit der 2010 erfolgten Privatisierung von MÁV Cargo (heute als Rail Cargo Hungaria (RCH) Teil der ÖBB) „verspielt“ hat.