Der Güterverkehr in Estland ist nach Einführung der
Sanktionen gegen Russland auf fast Null gesunken. Im vergangenen Jahr belief
sich das Volumen noch auf 12,8 Mio. t, davon fast 9,5 Mio. t im Transit. Durch
die Sanktionen gingen alle Transporte von Öl und Düngemittel aus der Republik
Belarus verloren. Statt ganzer Züge verkehren heute täglich nur 10 bis 20
Güterwagen über die russische Grenze. Dies bedeutet für Estlands Eisenbahn, die
vor einigen Monaten hauptsächlich mit dem Transport von Gütern aus Russland und
Weißrussland beschäftigt war, sich neu orientieren zu müssen.
Kasachstan und Usbekistan, deren Getreide, Öl und Stahl
zuvor die Häfen im Schwarzen Meer anliefen, begannen nach Möglichkeiten zu
suchen, diese über andere Häfen im Baltikum und Finnland zu verschiffen, da das
Schwarze Meer jetzt für die Schifffahrt gesperrt ist. Momentan wird
kasachisches Getreide für das Terminal in Muuga erwartet, ebenso Öl für den
Kraftstoffhändler Alexela, allerdings zunächst nur eine kleine Charge. Die
russische Seite hat hier mit dem Transport von Metallerz für Fabriken in
Belgien begonnen.
Die Ukraine möchte ihr Getreide über die baltischen Häfen exportieren, was aber auf einige Probleme stößt. Da man nicht mehr durch Weißrussland fahren kann und aufgrund der anderen Spurweite in Polen bedeutet das, dass sie ihre Waren zunächst in Polen auf Güterwagen mit 1.435-mm-Spurweite verladen müssten. Weder an der ukrainisch-polnischen Grenze noch an der polnisch-litauischen Grenze gibt es aber Ladestellen, an denen Getreide verladen werden kann. Estland hat zwar viele Getreideterminals mit Gleisanschluss, die Terminals könnten bis zu einer Million Tonnen pro Jahr per Bahn erhalten, die estnische Bahn hat aber keine Getreidewagen. Bisher wurden die Güterwagen meistens aus Russland gekauft, was heute nicht mehr geht.
Ein weiteres Problem sind die stark begrenzten Kapazitäten
an der polnisch-litauischen Grenze, laut Angaben der litauischen Eisenbahn sind
4-5 Zugpaare pro Tag das händelbare Maximum, und die dortigen
Containerterminals sind bereits mit eigenen Zügen von Kaunas nach Polen belegt.
Es ist zwar möglich, Getreide in Containern zu transportieren, aber die Mengen,
die aus der Ukraine exportiert werden müssen, sind aktuell sehr schwierig zu
transportieren.