Bremen: Hafeneisenbahn wird 160 Jahre alt

Kein anderer Hafen auf der Welt hat statistisch gesehen einen größeren Anteil an Eisenbahnverkehr als die Häfen in Bremen und Bremerhaven. Jeder zweite Container geht auf der Schiene ins Hinterland. Vier von fünf Autos kommen auf Gleisen nach Bremerhaven, um von dort aus per Schiff in die Welt hinaus gebracht zu werden. Die bremischen Häfen gehören mittlerweile zu den führenden Eisenbahnhäfen weltweit.

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Ein Blick über die bremischen Hafenanlagen, wie sie sich Mitte der 20er Jahre darstellten: Links unten erkennen wir den Hohentorshafen, dessen Gleisanlagen gut auszumachen sind. Der Weserbahnhof – rechts unten vor der Stephani-Eisenbahnbrücke zu sehen – hat noch keine Stahlspundwand erhalten und der Blick auf das Areal von Europa- und Überseehafen verrät, dass sowohl die Kajen- als auch die Gleisanlagen gut ausgelastet sind.

Angefangen hat diese Entwicklung am 1. Februar 1860, also genau vor 160 Jahren. Bereits zehn Jahre zuvor, im Oktober 1850, hatte die „Eisenbahndeputation“ eingehende Nachforschungen und Überlegungen zur Problematik der Verbindung von Schifffahrt und Eisenbahn angestellt. Schon damals galt die Formel: Nur, wer gute Verkehrsverbindungen ins Hinterland schafft, kann sich gegen andere Seehäfen durchsetzen. Und so heißt es in alten Sitzungsunterlagen: „Es zeigt sich, daß concurrirende Städte, welche ohnehin durch ihre Lage vor Bremen begünstigt sind, ihre Anstalten zur Verbindung der Seeschifffahrt mit den Eisenbahnen fortwährend verbessern, und durch Beseitigung von Aufenthalt und lästigen Kosten den Verkehr, namentlich den Transit immer mehr an sich ziehen.“ Dies sei eine ernste Mahnung an Bremen „nicht zurückzubleiben, sondern dessen Handel, so viel thunlich, alle diejenigen Erleichterungen zu verschaffen, welche schon jetzt für einen großen Handelsplatz als unentbehrlich betrachtet werden müssen.“  

Eile in die Angelegenheit brachte auch die Stadtentwicklung. Bereits im Jahr 1847 hatte die Eisenbahn aus Hannover Bremen erreicht. In der Nähe des heutigen Hauptbahnhofs war der Hannoversche Bahnhof entstanden. Nun galt es die Flächen zu sichern, die eine Verbindung zwischen der Strecke nach Hannover und der Weser ermöglichen sollten. Gleise mit einer Länge von 1,75 Kilometern waren erforderlich, um die erste Anbindung der bremischen Hafenanlagen an das Netz der Eisenbahn zu schaffen. Die auf Kosten Bremens errichtete Strecke vom Hannoverschen Bahnhof an die Weser verlief zweigleisig bis zum neu errichteten Weserbahnhof und wies vier durch Barrieren getrennte Übergänge auf, unter anderem an der Contrescarpe und an der Nordstraße. Sieben Jahre später folgte dann die zunächst eingleisige Bahnstrecke Oldenburg Bremen, für die die Weserbrücke und der Bahnhof Neustadt entstanden.

Auch in Bremerhaven war die Bedeutung der Hafenbahn erkannt worden. Auf der Rückseite des Bahnhofs Geestemünde hatte das Königreich Hannover eine eigene staatliche Hafenbahn für die dortigen Umschlagsanlagen errichtet. Weiteres wurde in einem Vertrag zwischen Hannover und Bremen festgelegt. „Im Anschluss soll ein Schienengleis nach den Docks in Bremerhaven geführt werden, um auf selbigen die Eisenbahn-Güterverkehre mittelst Lokomotiven befördern zu können.“ Kurz vor der Jahrhundertwende waren Neuer und Alter Hafen und auch der Fischereihafen mit der Eisenbahn erreichbar.

Mit der Fertigstellung des Weserbahnhofs bekam der Bahnverkehr in den Häfen einen rasanten Aufschwung. Bereits fünf Jahre nach Inbetriebnahme lag der Bahnanteil bei den Landtransporten bei 80 Prozent. Mit diesem Erfolg war klar, dass die Hafeneisenbahn beim weiteren Ausbau der Häfen eine zentrale Rolle spielen musste. Bei den anstehenden großen Hafenerweiterungsprojekten, wie dem Europahafen, dem Überseehafen oder auch dem Industriehafen mit seinen sieben Hafenbecken, waren großzügige Gleisanlagen wesentlicher Bestandteil der Planung.

Der Zweite Weltkrieg endete für die bremischen Häfen mit starken Zerstörungen. Fast 90 Prozent der Schuppen und Speicher und ein Drittel der Hafeneisenbahn waren zerstört. Der Wiederaufbau der Anlagen wurde genutzt, um neueste Technologien zu installieren. Die Stellwerkstechnik wandelte sich stark und ermöglichte so eine erhebliche Beschleunigung des Rangierbetriebes. Das Megaphon wurde durch Rangierfunk ersetzt und Mitte der 1960er Jahre begann die Elektrifizierung der Hafeneisenbahnanlagen.

Spätestens mit dem Container verlagerte sich das Hafengeschehen für wichtige Ladungssegmente weiter nach Bremerhaven. Dort bereitete man sich bereits 1968 mit dem Bau des Containerterminals CT I auf die Veränderungen im globalen Handel vor. Und auch dabei spielte die Hafeneisenbahn wieder eine zentrale Rolle. Mit dem Rangierbahnhof in Speckenbüttel und den Vorstellgruppen am Imsumer Deich und in Weddewarden wurde die Verkehrsinfrastruktur nach und nach weiter entwickelt.

Zu Beginn des neuen Jahrhunderts erfolgte dann die organisatorische Neuaufstellung der Hafenverwaltung. Als Eisenbahninfrastrukturunternehmen wirkt seitdem die für Häfen zuständige senatorische Behörde. Die 2002 neu gegründete Hafenmanagementgesellschaft bremenports GmbH & Co. KG arbeitet im Auftrag des Ressorts an der Unterhaltung und Weiterentwicklung der Hafeneisenbahn. Grundlage dafür ist ein Masterplan Hafeneisenbahn, der in den vergangenen Jahren systematisch umgesetzt worden ist. Beispielhaft hierfür sind der Ausbau der Vorstellgruppe am Imsumer Deich, die Elektrifizierung des Kaiserhafens und Projekte zur Digitalisierung des Betriebs und der Unterhaltung der Anlagen.

Und auch das nächste Projekt zur weiteren Stärkung des Eisenbahnhafens Bremen/Bremerhaven ist bereits in Planung. So sollen in den kommenden Jahren am Bahnhof in Speckenbüttel in enger Abstimmung mit der Deutschen Bahn weitere Gleisanlagen gebaut werden, immer mit dem Ziel, den Anteil des Bahnverkehrs weiter zu erhöhen.

Die Senatorin für Wissenschaft und Häfen, Dr. Claudia Schilling: „Bremens stetiger Fokus auf die enge Verbindung zwischen Eisenbahn und Häfen hat dafür gesorgt, dass wir heute einer der dynamischsten Eisenbahnhäfen mit einem europaweit beachteten hohen Bahnanteil im Hinterlandverkehr sind. Der Erfolg ist aber nur durch eine stetige Weiterentwicklung, durch technische Anpassungen, durch Ausbauten und Investitionen möglich. So setzen wir seit Jahren konsequent den Masterplan ‚Hafeneisenbahn Bremerhaven‘ um und stärken damit die Position Bremens im Bahnverkehr.“

„Gerade im Vergleich zu den Konkurrenzhäfen im Westen Europas ist die Hafeneisenbahn ein Pfund mit dem wir wuchern können“, so bremenports-Geschäftsführer Robert Howe. „Die Anforderungen an die Klimaneutralität wird für die Zukunft ein zentrales Thema bei der Gestaltung der Transportketten sein. In Bremen und Bremerhaven haben wir 160 Jahre systematisch daran gearbeitet, die Bahn zu stärken. Dies wird sich auch in Zukunft auszahlen.“

Die Hafeneisenbahn in Zahlen

• Gleislänge von insgesamt 193 km
• 7 Bahnhöfe
• 38.700 Ein- und Ausgangszüge pro Jahr
• 500 Weichen
• fast 70km Oberleitungsanlagen
• 50 technisch gesicherte Bahnübergänge
• 4 Stellwerke

Pressemeldung Senatorin für Wissenschaft und Häfen, bremenports GmbH & Co. KG, Zitate und historische Daten aus Andreas Mausolf „Vom Weserbahnhof zur modernen Hafeneisenbahn“ Hauschild 2010

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