Meldung vom: 27.04.2020
Das Bundeskartellamt hat heute den Erwerb der Vossloh Locomotives GmbH, Kiel, durch CRRC Zhuzhou Locomotives Co., Ltd., Zhuzhou (Volksrepublik China) freigegeben.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „In dem Fusionsfall
CRRC/Vossloh Locomotives haben wir alle Besonderheiten, die mit der
Übernahme eines europäischen Unternehmens durch ein chinesisches
Staatsunternehmen einhergehen, sehr gründlich geprüft. CRRC übernimmt
mit Vossloh einen wichtigen Hersteller von Rangierlokomotiven in Europa.
Bei der Bewertung der Fusion sind die Möglichkeiten staatlicher
Subventionen, die Verfüg-barkeit von technischen und finanziellen
Mitteln und die strategischen Vorteile aus anderen
Unternehmensbeteiligungen in die wettbewerbliche Prognose eingeflossen.
Wir haben uns auch mit der Gefahr von Niedrigpreis- und
Dumpingstrategien und den Kostenvorteilen aufgrund des staatlich
geförderten Engagements von CRRC in vielen anderen Märkten
auseinandergesetzt. CRRC spielt in chinesischen Industriestrategien eine
wichtige Rolle. Außerdem kann CRRC künftig von dem Know-how des
etablierten Herstellers Vossloh bei den aufwändigen Zulassungsverfahren
für Rangierlokomotiven profitieren. Am En-de haben unsere durchaus
vorhandenen Bedenken aber keine Untersagung des Vorhabens begründen
können. Vossloh Locomotives hat in den vergangenen Jahren deutlich an
Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, zugleich sind neue Wettbewerber mit
innovativen Antriebstechniken in den Markt eingetreten. Neben Vossloh
sind inzwischen mehrere starke Wettbewerber tätig. CRRC spielt auf dem
europäischen Markt hingegen bisher nur eine untergeordnete Rolle.“
Vossloh Locomotives ist der Marktführer für die Herstellung von
Rangierlokomotiven mit Dieselantrieb im Europäischen Wirtschaftsraum und
der Schweiz. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der Vossloh AG. Vossloh Locomotives beschäftigt etwa 500 Mitarbeiter und erzielte Umsätze von mehr als 100 Mio. Euro im Jahr 2019.
CRCC ist eine Tochtergesellschaft der China Railway Rolling Stock Corporation, Ltd.
und ist der weltweit größte Hersteller von Schienenfahrzeugen, dessen
Aktivitäten bisher stark auf China konzentriert sind. Die CRRC-Gruppe
beschäftigt mehr als 150.000 Mitarbeiter und betreibt zahlreiche
Fabriken in China und anderen Ländern. Im Jahr 2018 wurden damit Umsätze
von 27,5 Mrd. Euro erzielt.
Die Prüfung des Zusammenschlussvorhabens wies einige Besonderheiten auf.
Durch die starke Marktstellung von Vossloh einerseits und die bislang
sehr schwache Stellung von CRRC auf dem europäischen Markt andererseits,
erlangte insbesondere die Frage Bedeutung, wie die Beteiligung
chinesischer Staatsunternehmen in der Fusionskontrolle zu bewerten ist.
Berücksichtigung fanden auch die weitreichenden technologischen
Ressourcen von CRRC. Wie die Befragung des Bundeskartellamtes gezeigt
hat, erwarten europäische Wettbewerber infolge der Übernahme künftig
Wettbewerbsverzerrungen.
Das Vorhaben war letztlich freizugeben. Vossloh Locomotives hat in den
vergangenen Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die
Muttergesellschaft Vossloh AG hatte bereits 2014
entschieden, das Unternehmen zu verkaufen. Seitdem sind etablierte
Bahntechnik-Hersteller wie Alstom, Stadler und Toshiba mit innovativen
Antriebstechniken in den europäischen Markt eingetreten und bieten jetzt
ebenfalls Rangierlokomotiven an. In diesem Fahrzeugmarkt findet derzeit
ein Technologiewechsel hin zu Hybrid-Antrieben sowie sog.
„Dual-Mode-Lokomotiven“ statt, die sowohl mit elektrischer Oberleitung
als auch mit Dieselantrieb fahren können. Das Zielunternehmen Vossloh
Locomotives ist mit solchen Lokomotiven bislang nicht vertreten und
dadurch in einen wettbewerblichen Rückstand geraten.
CRRC bemüht sich seit Jahren um den Eintritt in die europäischen Märkte
für Schienenfahrzeuge. Bislang hat das Unternehmen in Europa allerdings
nur geringe Erfolge erzielen können, darunter die Lieferung einiger
Rangierlokomotiven an die Deutsche Bahn für die S-Bahnen in Hamburg und
Berlin sowie an die ungarische ÖBB-Tochter Rail Cargo Hungaria. CRRC ist
daher in Europa bisher noch kein enger Wettbewerber von Vossloh.
Dazu Andreas Mundt: „Auf der Grundlage unserer Ermittlungen war
auszuschließen, dass die Übernahme zu einer erheblichen Beeinträchtigung
des Wettbewerbs auf dem Markt für Rangierlokomotiven in Europa führen
würde. Obwohl es sich bei CRRC um ein durch den chinesischen Staat stark
protegiertes Unternehmen handelt, das gleich in zwei
Industriestrategien – „Made in China 2025“ und „Neue Seidenstraße“ –
eine wichtige Rolle spielt, zeigt der Fall, dass chinesische
Staatsunternehmen zwar mit großer wirtschaftlicher Kraft in Märkte
eintreten, dass das aber nicht generell mit einer Bedrohung für den
Wettbewerb gleichgesetzt werden kann.“